Juchtenkäfer sorgt für den Erhalt von zumindest einer Allee
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(12.5.2015) Zwei historische Lindenalleen in Hannover bereiteten den zuständigen Stellen erhebliche "Kopfschmerzen", waren doch beide Alleen in einem derart schlechtem Zustand, welcher die zuständigen Behörden zum Handeln zwang.
Während die denkmalgeschützte Lindenallee im Ottomar-von-Reden-Park in Hannover-Gehrden mangels Juchtenkäfer letztendlich abgeholzt wurde, sorgte der streng geschützte Osmoderma eremita in Hannover-Herrenhausen dafür, dass man sich Gedanken um den Erhalt der dortigen Berggarten-Allee machen musste, da einer Fällung der Allee der Juchtenkäfer im Wege stand.
Zukunft der Berggarten-Allee:
Sicherheit und Artenschutz haben erst einmal Vorrang vor Gartenkunst
Seit einem Jahr ist die 280 Jahre alte Lindenallee im Berggarten aus Sicherheitsgründen gesperrt, denn die morschen Altbäume sind nicht mehr standsicher. Die ursprünglich geplante, komplette Erneuerung der Allee war zuvor abgesagt worden, nachdem dort der streng geschützte Juchtenkäfer entdeckt worden war. In den vergangenen Monaten haben die Herrenhäuser Gärten intensiv mit Baumexperten, Naturschutzbehörden und -verbänden sowie Statikern die Möglichkeiten zur Zukunft der historischen Berggarten-Allee geprüft. Die Alternativen wurden den städtischen Gremien zur Entscheidung präsentiert, wobei die Verwaltung eine Kappung der Bäume empfiehlt.Ronald Clark, Direktor der Herrenhäuser Gärten: „Dieser Kompromiss ist für unsere Gäste, den Naturschutz und den Denkmalschutz akzeptabel.“
Alleefällung und Käfer-Umsiedlung stehen nicht mehr zur Diskussion
Eine Fällung der Allee ist nach dem Bundesnaturschutzgesetz und nach europäischer Richtlinie (Flora-FaunaHabitat-Richtlinie) nicht zulässig. Die nach Entdeckung der Juchtenkäfer angedachte Umsiedlung der Larven ist nicht mit dem Artenschutz vereinbar, denn inzwischen wurden in fast allen der noch vorhandenen 130 Altbäume die Käfer nachgewiesen. Die Juchtenkäferpopulation dürfte damit zu den zwei größten in Niedersachsen zählen. Eine Umsiedlung würde die Tiere stark gefährden, zumal noch keine wissenschaftlich abgesicherten Untersuchungen belegen, dass dies funktionieren kann. Ohne die Bäume zu fällen oder zu sichern,kann die Allee jedoch nicht mehr betreten werden – das Risiko herabstürzender Äste oder gar kippender Stämme wäre zu groß.
Drei Varianten standen zur Wahl
Variante 1: Die Alt-Linden, die neben einem etwa vier Meter hohen Stamm noch mehrere zwei bis vier Meter lange Stark-Äste haben, werden aufwändig gesichert. Dafür müssen pro Baum drei Stahlmasten verankert werden, an denen die Stämme und die Stark-Äste befestigt werden können. Die Allee wäre dann im Laufe des Jahres 2016 wieder begehbar. Die Kosten dieser Sicherungsmaßnahme sind über 20 Jahre verteilt mit 2,8 Millionen Euro
sehr hoch angesetzt: Durch die zahlreichen Seilverspannungen ist der alle zwei Jahre notwendige Schnitt der Bäume extrem aufwändig. Ohne regelmäßige Schnittmaßnahmen reichen die Sicherungsmaßnahmen aber statisch nicht aus.
Variante 2: In diesem und im nächsten Jahr werden alle Linden gekappt, so dass nur noch die eigentlichen Stämme stehen bleiben. Da auch sie nicht standsicher sind, wird pro Baum ein Stahlmast verankert. Die Stämme können dann mit Gurten direkt an den Masten befestigt werden. Weitere Seilverspannungen sind nicht notwendig und der Schnitt der Bäume ist relativ einfach, aber aus statischen Gründen notwendig. Da sich die meisten Juchtenkäferlarven im Stammbereich und nicht in den Stark-Ästen befinden, würde die Untere Naturschutzbehörde dieser Variante grundsätzlich zustimmen. Auch die Naturschutzverbände haben ein Einverständnis signalisiert. Diese Maßnahme würde in zwei Abschnitte aufgeteilt etwa 350.000 Euro kosten. Dabei ist die Pflege der Bäume nicht aufwändiger als die Pflege neu gepflanzter Alleebäume. Die Linden können jedoch erst ab Juli oder August gekappt werden, denn die Käferpuppen sind bis zum Schlüpfen sehr empfindlich. Begleitet werden die Arbeiten von der Unteren Naturschutzbehörde und einem Käferexperten, der eventuell in den oberen Stark-Ästen befindliche Larven sichert und in noch nicht besiedelte Bäume im Berggarten umsetzt. Diese Variante würde den Bereich zwischen Herrenhäuser Straße und dem Berggarten-Zaun sowie die größeren Durchgänge zum Staudengrund einbeziehen, so dass ein großer Teil der Berggartenallee ab Herbst 2015 wieder begehbar sein würde.
Variante 3: Ohne Sicherungsmaßnahmen bleibt die Allee gesperrt, auch Pflegearbeiten sind aus Gründen der Arbeitssicherheit nicht erlaubt. Daher wird die gesamte Allee inklusive eines Sicherheitsabstandes (Abstand = 2,5-fache Höhe der Bäume) der Natur überlassen. Innerhalb weniger Jahre wird der Alleebereich komplett verwildern. Die noch sehr vitalen, aber morschen Linden werden neue Triebe bilden und die Sichtachse zum Mausoleum einschränken. Durch den großen Zuwachs wächst auch die Windlast und die Bäume werden nach und nach auseinanderbrechen. Da sich in den Stämmen noch Juchtenkäfer befinden und das Betreten der Allee ja nicht mehr erlaubt ist, können die umgekippten Bäume nicht entfernt werden und bleiben links und rechts der Allee liegen. Ohne regelmäßiges Rasenmähen wird anfangs das Gras hochwachsen, nur ein paarJahre später werden dann wilde Gehölze wie Schlehen, Brombeeren und Birken das Bild bestimmen. Der Staudengrund wird als Sackgasse vom übrigen Berggarten abgehängt, da es keinen Durchgang durch den südlichen Alleebereich mehr gibt. In den Bereichen, die direkt an die Allee angrenzen, dürfen aus Sicherheitsgründen keine Pflegearbeiten durchgeführt werden. Teile dieses wertvollen Gartenbereichs müssen also aufgegeben werden. Die Bäume zwischen Herrenhäuser Straße und Berggarten-Zaun würden mit Sondergenehmigung gefällt werden, da sonst auch der Fuß-/Radweg an der Herrenhäuser Straße nicht mehr nutzbar sein würde. Da für diese Variante nur ein Zaun aufgestellt werden muss, sind die Kosten mit etwa 100.000 Euro vergleichsweise gering. Wollte man den Rundgang durch den Staudengrund aufrechterhalten, müsste man 13 Bäume am südlichen Weg durch die Allee sichern. Diese aufwändige Maßnahme ist mit 310.000 Euro fast genauso teuer wie die Kappung der gesamten Allee.
Vorschlag: Kappung der Linden
Nach Abwägung aller Vor- und Nachteile schlägt die Verwaltung den Rats- und Bezirksratsgremien Variante 2 zur Umsetzung vor, also die Kappung der Bäume. Der Aufwand und die Kosten seien vertretbar, so RonaldClark, und diese Lösung sei aus Sicht der BesucherInnen, des Naturschutzes und des Denkmalschutzes akzeptabel. Nach der Kappung in diesem und im nächsten Jahr würde die Allee wieder komplett begehbar sein. Sie müsste nur noch bis zum Sommer aus Sicherheitsgründen gesperrt bleiben, leider allerdings auch der Durchgang zum Staudengrund, da mit dem Laubaustrieb die Standsicherheit der Bäume noch weiter abnimmt.
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Die Lindenallee im Ottomar-von-Reden-Park |
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Foto: Frauke Bittner |
Im Ottomar-von-Reden-Park in Hannover- Gehrden fand sich offenbar kein Hinweis auf die Anwesenheit des Juchtenkäfers. Somit war die Fällung der Allee wohl unausweichlich.
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